Am 22. Dezember um 6.30 Uhr MEZ beginnt der Winter 2011/12. Die heimischen Wildtierarten reagieren mit artspezifischen Verhaltensmustern und anatomischen Anpassungen an die „kalte Jahreszeit“. Wussten Sie schon, …
• … dass sämtliche Haarwildarten und die Standvögel unter dem heimischen Federwild selbst in Mitteleuropa Temperaturspannen von etwa 55 Grad Celsius oder mehr überstehen müssen? Diese entsprechen dem Unterschied zwischen heißen Sommerphasen mit etwa 35 Grad und sehr kalten Wintertagen mit minus 20 Grad oder darunter.
• … dass der maximale Durchmesser des Sommerhaars beim Rehwild 0,1 Millimeter, der des Winterhaars jedoch 0,3 Millimeter nebst der zugehörigen Lufteinschlüsse beträgt.
• … dass das Rotwild vor allem im Spätwinter in Winterschläfermanier stundenweise seine Stoffwechselrate weit unter den bisher als konstant angenommenen Mindestwert absenken kann und auf diesem Weg quasi als „wandelnder Winterschläfer“ zu bedeutenden Energiesparmaßnahmen fähig ist?
• … dass der Gesamtenergieverbrauch des Rotwildes im Spätwinter auf nur noch etwa 40 Prozent(!) des Jahreshöchstwertes zurückgehen kann?
• … dass Rauhfußhühner wie z. B. das Birkwild ab etwa vier Grad minus für die Übernachtung und Tagesruhe eine Höhle im Schnee graben – sofern vorhanden. Messungen zeigten, dass die Temperaturen in diesen Höhlen mehr als 25 Grad über der Außentemperatur liegen können.
• … dass auch Rebhühner solche „Schneebunker“ graben, und diese gar in kleinen Gruppen – auch zum Übernachten – nutzen? Dass aber gleichsam Schneehöhen ab etwa 30 Zentimeter verhindern, dass sich Rebhühner bis zur Äsung beziehungsweise bis zum Boden durchgraben?
• … dass viele Wildtierarten über einen körpereigenen Wärmetauscher verfügen? Das Gewebe in den unteren Bereichen der Extremitäten benötigt keine starke Durchblutung, da gut ausgebildete Muskelpartien dort nicht mehr nötig und überlebenswichtige Organe nicht vorhanden sind. Einem zu starken Wärmeverlust im Körperkern wird dadurch entgegengewirkt, dass in den Extremitäten die Venen und Arterien in direkter Nachbarschaft verlaufen. Das zurückströmende, abgekühlte venöse Blut wird durch das entgegenströmende, warme arterielle Blut wieder angewärmt, bevor es den Körperkern erreicht – ein natürlich geniales Prinzip!
• … dass vor allem beim Wasserwild dieses Gegenstromprinzip zu einem steilen Temperaturabfall in den Extremitäten führen kann? Bei Möwen z. B. wurde bei einer Außentemperatur von minus 16° C ein Temperaturgefälle von 41° C im Körperkern bis annähernd 0° C in den Schwimmhäuten festgestellt.
• … dass die Körpertemperatur bei Winterschläfern wie z. B. dem Murmeltier, dem Feldhamster oder dem Igel auf nur noch etwa 2,5 ° C absinkt?
• … dass selbst diese Arten ihre Körpertemperatur zwischendurch einige Male wieder hoch fahren und aufwachen? Der Feldhamster zum Beispiel kann seinen Schlaf fast im Wochentakt unterbrechen, um Nahrung aufzunehmen oder Kot und Urin abzugeben.
• … dass die ohnehin regelmäßig unterbrochene Winterruhe z. B. vom Dachs, Marderhund und Eichhörnchen in milden Wintern ausfällt? Wer in diesen „Kälteperioden“ aufmerksam im Revier unterwegs ist, wird im kompletten Winterhalbjahr auf Dachsspuren treffen.
Die beste Winterstrategie – mit Ausnahme des Winterschlafes – wird jedoch durch permanente Störungen untauglich. Durch eine unnatürlich hohe Bewegungsaktivität wird der Energieverbrauch immens gesteigert, die Bilanz gerät in den roten Bereich. Auf jede Wildart sollten wir daher – unabhängig von gesetzlichen Jagd- und Schonzeiten – eine witterungsabhängige und selbst verordnete Jagdruhe berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei extremer Kälte sowie bei hohen oder verharrschten Schneelagen und Vereisung. Bis dahin aber gilt es, mit Freude und Effizienz zu jagen.