Noch immer bevölkern Saat- und Blessgänse in großer Zahl die Reviere der norddeutschen Tiefebene. So auch im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue rund um Lüdersburg. Ihr Flug zwischen den Äsungs- und Ruheplätzen fasziniert Jäger und andere Naturfreude gleichermaßen. Nur wenige wissen jedoch, dass die Gänse auch auf dem Zug, auf den zugehörigen Rastplätzen, im Winterquartier und sogar bis zum erneuten Eintreffen in den nordischen Brutgebieten im Familienverband zusammen leben – sofern möglich (Rutschke 1997).
Vor allem nach den ebenso ungeordneten wie schlagartigen „Massenfluchten“ bei Störungen erscheint es uns kaum möglich, dass sich die Clans im Anschluss wiederfinden. Hunderte oder Tausende Gänse fliegen gleichzeitig auf, um sich in Sicherheit zu bringen. Hier und dort wird zwar der eine oder andere „Angehörige“ dauerhaft versprengt. Im großen und ganzen aber finden sich die Familien selbst danach erstaunlich oft wieder zusammen.
Sofern dieser Versuch nicht schon bei Tageslicht gelingt, setzen die Gänse ihre Suche auf den nächtlichen Ruhe- und Schlafplätzen fort. Jungvögel suchen dabei ausdauernder und erfolgreicher als ihre Eltern. Den individuellen Stimmlauten kommt dabei offenbar eine entscheidende Bedeutung zu.
Denn das uns Menschen so einförmig erscheinende Geschnatter besteht bei genauem Hinhören per Hightech-Sonagramm aus unzähligen individualspezifischen Lauten. Die Tatsache, dass Wildgänse die beiden Seiten des Stimmkopfes (Syrinx) getrennt voneinander anregen können, sorgt letztlich für die Unverwechselbarkeit jeder Einzelstimme.
Unter bestimmten Umständen bleiben die Gänse-Familien sogar über mehrere Jahre hinweg zusammen. Bei Blessgänsen wurden die Nachkommen in Einzelfällen sogar noch im sechsten Winter nach der Geburt in der Nähe ihrer Eltern beobachtet (Warren et al. 1993).