Anfang September – eine herrliche Jahreszeit! Die Tage sind noch lang und relativ warm, die Aktivität des Rehwildes und damit seine Sichtbarkeit steigt wieder an, die Chancen Strecke zu machen ebenfalls. Und: Über das weibliche Rehwild und Bockkitze hinaus dürfen bis zum 15. Oktober auch noch Rehböcke quasi in der Spätlese erlegt werden. Die volle Pallette also.
Dennoch sind mir viele Reviere bekannt, in denen die Jagd auf Rehwild im September völlig ruht. Häufig und ausgerechnet in vergleichsweise strukturarmen Feldrevieren. Gerade dort aber sollten diese Chancen konsequent genutzt werden. Denn: Vielleicht kommen sie nicht wieder. Das rasch wechselnde Lebensraumangebot vieler Feldreviere, weitgehend bis restlos ausgeräumte Agrarsteppen, lässt spätestens(!) nach der Maisernte die Aussicht auf jagdlichen Erfolg deutlich schrumpfen. Und bis zum Auflaufen des Wintergetreides tendiert auch das Äsungsangebot vielerorts gen Null. Keine Deckung, keine Äsung, keine Rehe!
Doch was sind die Gründe dafür, dass in vielen Revieren der offenen Landschaft gerade in der aussichtsreichsten Zeit für die Abschusserfüllung die Jagd auf weibliche Rehe und Bockkitze ruht? In allererster Linie werden die “zu geringen” Gewichte der Kitze genannt. Diese Argumentation steht jedoch auf tönernen Füßen. Denn während die Kitze in frühester Jugend rasant an Masse zulegen, allein in den ersten drei Lebenswochen um etwa zwei Kilogramm, erfolgt ein weiterer wesentlicher Teil der Gewichtsentwicklung in den Sommermonaten bis in den September hinein. Schon Ende September sinkt sie deutlich ab, um von November bis Februar/März annähernd oder gänzlich zu stagnieren. Rehkitze sind im November (Maisernte) durchschnittlich nur gut ein Kilogramm schwerer als im September! Diese 1000 Gramm aber kann allein ein Schuss auf die Blätter zunichte machen.
Lohnt dieses Warten also? Zudem noch unter dem Risko, später eventuell „gar nichts mehr zu kriegen“, weil das Rehwild samt und sonders im angrenzenden Wald seinen Wintereinstand nimmt? Wohl kaum. Also gilt es, sich bietende Chancen früh und konsequent zu nutzen. Jagd mit Beute macht mehr Freude! Man denke in diesem Zusammenhang nur an die vielen Ansitzkanzeln, die in Deutschland längs der Waldkanten errichtet sind. Warum wohl?
Betrachten wir darüber hinaus die Aktivitätskurve der Rehe im Jahreslauf und gleichen sie mit unseren eigenen jagdpraktischen Erfahrungen ab, so stellen wir fest: Schon im Oktober und November beginnt die „Saure-Gurken-Zeit“ für die Ansitzjagd auf Rehwild, die im Dezember ihren Tiefpunkt erreicht. Die „Winterruhe“ beginnt. Der Stoffwechsel der Rehe läuft auf Sparflamme, die Äsungsaufnahme und Bewegungsaktivität sind reduziert, unsere Begegnungen mit Rehen werden deutlich seltener …
Hinzu kommt, dass schon am letzten Sonntag im Oktober eines jeden Jahres die Umstellung von der Sommerzeit auf die Winter- oder Normalzeit erfolgt. Auch dies setzt unsere Chancen deutlich herab! Fast jeder berufstätige Jäger findet dann nicht mehr die Zeit, auch unter der Woche zu jagen. Bei Dienstschluss ist es bereits dämmerig oder stockfinster. An den verbleibenden freien Wochenenden steigt dann mit jedem Fehlversuch der Druck, noch das eine oder andere Stück auf die Decke legen zu müssen. Entspannte Jagd sieht anders aus… Unter dem Strich bleibt folglich festzuhalten, dass die frühzeitige Bejagung zwar viele Vorteile, aber keine nennenswerten Nachteile bringt. Das gilt im Übrigen auch für Waldreviere. Doch dazu demnächst an dieser Stelle mehr!